Einen Roman zu schreiben, ist ein harter Job. Ihn zu verkaufen, ist eine Kunst. Doch ein Autor muss sein Buch auch verkaufen. Deshalb habe ich mich entschieden, den Markt zu studieren. Sonst bliebe mein Buch im Computer und das ist nicht der Sinn der Sache. Ich ging also zum größten Buchladen in meinem Stadtteil, um zu sehen, was so alles verkauft wird. Momentan ist es die Titanic. 22 unterschiedliche Bücher insgesamt. Das fand ich sehr lehrreich und ich entschied mich gleich, ein Buch über die Titanic zu schreiben. Meine Agentin riet davon ab. Sie hat weitere 73 Manuskripte über die Titanic auf ihrem Schreibtisch und alle abgelehnt. Es gäbe schon zu viele davon. Ich sollte meine eigene Geschichte schreiben, sagte sie. Ich stimmte ihr zu. Ich konnte die Titanic unmöglich zum zweiten Mal versenken.
Ich muss also einen anderen Luxuskreuzer sabotieren und ein Buch darüber schreiben. Das Problem ist, ich habe keine Ahnung, wie man so ein großes Schiff versenkt. Zu meiner Armeezeit habe ich Mal einen Sabotage -Kurs absolviert. Da haben wir gelernt, ein Auto zu vermienen. Man legt Sprengstoff unter die Karre, verbindet es mit einem Zünder, und wenn der arme Fahrer ins Auto einsteigt, fährt er in vier verschiedene Richtungen gleichzeitig. Mit einem Schiff muss es wesentlich komplizierter sein. Besonders, wenn es um einen Luxuskreuzer in Größenordnung der Titanic geht. Da haben Amateure nichts zu suchen. Und die vielen Toten, die möchte ich auch nicht auf dem Gewissen haben.
Vielleicht sollte ich mich umbringen. Vor meinen Augen kann ich den Titel auf der ersten Seite der Bildzeitung sehen: Frustrierter Autor erhängt sich. Danach würde sich mein Buch wie geschnitten Brot verkaufen. Die Idee gefiel mir nicht. Erstens mag ich nicht sterben. Und auch wenn ich mein Leben für die Kunst opfere, mit meinem Pech würde keine Zeitung darüber berichten.
Besser jemanden anderen umzubringen. Aber wen? Einen Unbekannten, das wäre keine Nachricht. Ein Unbekannter findet im besten Fall Platz auf Seite 5, kleingedruckt. Es muss eine Berühmtheit sein, sonst macht es keinen Sinn. Leider kenne keine Promis, und selbst wenn ich einen träfe, ich verabscheue Gewalt.
Ist vielleicht auch nicht nötig, jemand umzubringen. Ich könnte genauso gut einen Mann entführen. Am besten jemanden vom Fernsehen, vielleicht den Nachrichtsprecher – und zwar, mitten in der Tagesschau der ARD. Die sitzen leider in Süddeutschland und ich im Norden. Eine Bahnreise bekommt man auch nicht geschenkt. Obwohl ich in dem Fall nur eine Karte in eine Richtung bräuchte. Die Rückfahrt ginge ja dann auf Staatkosten.
Aber nein. Mir wurde klar, dass ich auf diesem Weg den Ruhm kaum genießen würde. Ich ging also nochmals zum Buchladen. Im Regal stand ein Buch von einer bekannten Fernsehmoderatorin. Sie war früher auch keine Autorin und schaffte es trotzdem. Von ihr könnte ich vielleicht lernen. Sie schaute mich aus dem Cover ihres Buches an, sie war echt hübsch. Mit ihrem Gesicht ist es wesentlich leichter, ein Buch zu verkaufen. Ihre langen Beine sind da auch nicht im Wege. Es gibt Ärzte, die selbst das hinkriegen, aber dafür fehlt mir das Geld.
Langsam gingen mir die Ideen aus. Ich befand mich mitten in einer Existenzkrise. Ich kam sogar auf die schwachsinnige Idee, selbst Promi zu werden. Dann würde das Buch doch einen Verleger finden. Um ehrlich zu sein, die Idee kam nicht direkt von mir. Jorge Luis Borges hat mal eine Geschichte über den Autor Pierre Menard geschrieben. Der wollte Don Quichotte von Cervantes Original von Pierre Menard schreiben. Dafür musste er erst im 16. Jahrhundert neu geboren werden, mit 20 Theologie in Salamanca studieren, dann gegen die Türken kämpfen und als Sklave in Algerien verkauft werden. Dieser Weg dauerte Menard zu lange, weshalb er Don Quichotte original nach Cervantes neu geschrieben hat. Mir geht es ähnlich. Außerdem will ich Don Quichotte nicht zum dritten Mal schreiben.
Plötzlich wusste ich: Die Idee mit der Entführung war nicht falsch. Es durfte aber nicht der Nachrichtsprecher sein. Was könnte der Arme mir schon anbieten. Ich müsste einen Buchverleger entführen und ihn solange fest halten, bis er mein Buch unter Vertrag nimmt. Ich ging also zu einer Buchmesse und suchte einen Verleger. Man kann es kaum glauben, aber es ist nicht so leicht, einen zu finden. Dabei denkt man, dass es da nur so wimmelt von Verlegern. Vielleicht sitzen sie alle in Privaträumen mit Edelkunden, trinken Longdrinks und kaufen Bücher. Sie erzählen aber keinem, wo sie diese Geschäfte betreiben. Frustriert setzte ich mich in eine Bar und trank ein Bier, oder auch zwei. Beim vierten habe ich meinen Nachbarn an der Theke angelabert. Er schien genauso einsam und frustriert zu sein wie ich und freute sich über das Gespräch. Und was für eine Überraschung, er war ein echter Verleger. Ich bin ein ehrlicher Mann und deshalb habe ich ihm gleich gesagt, was ich vorhabe. Er solle es nicht persönlich nehmen, es gehe ums Geschäft. Der Mann schaute mich mit großen Augen an, rief den Kellner und zahlte, meine vier Bier inklusive. Wir fangen gleich an!- sagte er begeistert. Ich verstand nicht gleich, weshalb er mir alles noch mal langsamer erklärte. Er arbeitete seit 30 Jahren mit Büchern und es wurde immer schwerer, sie zu verkaufen. Bücher, die er gerne liest, kauft keiner. In den letzten zwei Jahren macht er nur Verluste. Er hat es satt, satt, satt! Zurück im Verlagsbüro wartet auf ihn ein Tisch voller Bücher, die er alle ablehnen muss, weil er kein Geld mehr hat und fünf neue Biografien des Ex-Kanzlers Schröder, die er nicht ablehnen darf, weil er dafür bezahlt wird. Er hat Angst, zur Arbeit zurückzukehren und ein paar Tage Entführung würden ihm bestimmt gut tun. In welchem Hotel wollen wir uns verstecken? Mir wurde bewusst, dass man sich bei der Entführung irgendwo aufhalten muss. Aber über die Kosten habe ich mir bisher keinen Kopf gemacht. Es muss kein teueres Hotel sein, sagte der Verleger. Zuhause hat er nicht mal heißes Wasser im Badezimmer. Wir zählten unser letztes Geld, es reichte nicht mal für eine Jugendherberge. Am Ende saßen wir beide noch frustrierter da als vorher. Der Verleger hat noch zwei Bier bestellt, dafür reichte das Geld noch und wir haben uns über unsere Berufe beklagt. Es war ein schöner Abend.